Jüngst fand die jährliche Mitgliederkonferenz der niederländischen Fair Wear Foundation (FWF) – der so genannte Members Day –in Amsterdam statt. Alle Mitgliedsunternehmen waren eingeladen, um sich über aktuelle Entwicklungen im Bereich Sozialstandards auszutauschen. Wir von hessnatur (v.r.) – Rolf Heimann, Leiter Bereich Corporate Responsibility, Kristin Heckmann, Projektmanagerin CSR und ich – waren wirklich überrascht, wie viele neue Gesichter wir im Konferenzsaal des beeindruckenden Felix Meritis-Gebäudes entdeckten. Denn im Jahr 2005, als hessnatur der FWF als erstes deutsches Mitglied beitrat, zählte die Initiative nur eine Hand voll Mitglieder. Heute, 2012, sind es stolze 90!
Um den Mitgliedern einen persönlichen Einblick in das Leben der Arbeiter in den Textilfabriken zu geben, hatte die FWF drei lokale Auditoren eingeladen. Diese hatten eine kleine Präsentation vorbereitet, in denen jeweils ein Arbeiter, sein Leben und sein Arbeitsalltag vorgestellt wurde. Schockiert waren wir alle über eine junge türkische Frau, die noch vor einiger Zeit einen Teil ihres Lohns nach Erhalt an ihren Arbeitgeber zurückzahlen musste. Damit zahlte er auf dem Papier „offiziell“ den Mindestlohn, in Wirklichkeit erhielt sie allerdings viel weniger. Inzwischen hat der Arbeitgeber diese inakzeptable Praktik eingestellt.
Spannend war der Vortrag von John Morrison vom Institut für Menschenrechte aus London, der über das so genannte „Ruggie Framework“ gesprochen hat. Der Namensgeber dieses Leitfadens, John Ruggie, war bis 2011 Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs zum Thema Verantwortung international operierender Unternehmen. Wie Morrison berichtete, setzte sich Ruggie mit der Rollenverteilung zwischen Staat und Unternehmen auseinander und hinterfragte dabei, wie sich diese Rollenverteilung im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte verhält.
Als Abschlussbericht verfasste Ruggie einen Leitfaden für Unternehmen, basierend auf den Grundsätzen „Protect“, „Respect“, „Remedy“ (Schützen, Respektieren, Wiedergutmachen). So wird sein Leitfaden übrigens auch oft genannt. Grob geht es darum, dass zwar der Staat immer eine wichtige Rolle spielt, wenn es um Menschenrechte geht, aber dass auch Unternehmen Verantwortung haben.
Ruggie fordert in seinem Leitfaden, dass unternehmerische Aktivitäten keine negativen Auswirkungen auf Menschenrechte haben dürfen. Das Besondere an Ruggies Forderung ist, dass es nicht nur um Arbeitsrechte geht (wie es bisher immer der Fall war, wenn es um die Verantwortung von Unternehmen geht), sondern den Unternehmen auch Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte zugesprochen wird, obwohl diese nicht unbedingt direkt etwas mit Rechten am Arbeitsplatz zu tun haben. Ein Beispiel laut John Morrison: Die Wohnsituation von Arbeitern, die sich wegen zu niedriger Löhne keine „vernünftige“ Unterkunft leisten können. Hier soll laut dem Ruggie-Leitfaden, wie John Morrison skizzierte, auch das Unternehmen als Arbeitgeber zur Verantwortung gezogen werden.
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Rabea Schafrick ist derzeit Praktikantin im Bereich Corporate Responsibility. Sie befindet sich derzeit im letzten Jahr ihres Studiums der technisch-kommerziellen Textilkunde und schreibt ihre Abschlussarbeit in Zusammenarbeit mit hessnatur. Darin befasst sie sich mit Trainingskonzepten für die Lieferanten von hessnatur im Bezug auf Sozialstandards.
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