Für die hessnatur Natural Indigo Selvedge Jeans haben wir unsere erste Produktionsstätte in Bangladesch aufgebaut. Im Februar durfte ich gemeinsam mit meiner Kollegin Marina aus der hessnatur Stiftung in das Land reisen, um unseren Lieferanten zu besuchen. Was wir in der bengalischen Hauptstadt erlebt haben, schilderte ich bereits im ersten Teil . Heute nehme ich euch mit ins ländliche Nilphamari, wo der hessnatur Selvedge Stoff produziert wird.
Unsere Textilfabrik in Nilphamari.
Nach drei Tagen Lärm, Schmutz und Menschenmassen in Dhaka erreichen wir Nilphamari im ländlichen Norden von Bangladesch. Die Region zählt zu einer der ärmsten des Landes. Während wir auf holprigen Straßen an Reis-, Tabak-, Mais- und Zwiebelfeldern vorbeifahren erzählt uns Tauhid, unser Partner vor Ort, wie er dazu kam gerade hier oben sein Unternehmen aufzubauen.
„Ich habe einen Freund in der Gegend besucht. Er erzählte mir wie arm die Menschen hier oben sind. Nilphamari hat eine lange Tradition des Färbens mit Naturfarben. Indigo wächst hier ganz natürlich auf dem Feld. Doch mit Aufkommen der synthetischen Färbeverfahren, der starken Fokussierung der Textilproduktion in unserer Hauptstadt Dhaka und der damit verbundenen Landflucht verarmte die Region zunehmend.“ Tauhid beschloss, etwas dagegen zu unternehmen und sein Unternehmen Classical Handmade Products (CHP) hier oben aufzubauen.
Er kommt zwei bis drei Mal im Monat hierher, um nach dem Rechten zu sehen. „Wir sind auf einem sehr guten Weg, aber es gibt noch so viel zu tun.“ Er erzählt, dass er vor ein paar Jahren einer Frau begegnet sei, die am Straßenrand Steine zerkleinerte. „Ihre Haut war ganz verbrannt von der Sonne und ich fragte sie, wie viel Geld sie denn mit dieser anstrengenden Arbeit verdiene.“ Die Antwort: 40 Bengalische Taka, das entspricht etwa 0,45 Euro – pro Quadratmeter. Tauhid bot ihr daraufhin einen Job in seiner Weberei an. „Die Frau war so arm, dass sie täglich nur Kohlsuppe kochen konnte – Kohl ist hier eigentlich das Futter fürs Vieh.“
Inzwischen hat Tauhid noch sehr viel mehr Menschen Arbeit verschafft. Nilphamari ist mittlerweile die größte von insgesamt 13 Produktionsstätten in der Gegend. 2009 startete er hier mit 90 Mitarbeitern, mittlerweile sind es 740. Die lernen wir nun kennen, denn wir sind endlich angekommen. Vor uns liegt ein einstöckiger Gebäudekomplex. Tauhid führt uns herum. Er zeigt uns die große Weberei, das Herzstück des Unternehmens, in der hauptsächlich Teppiche und Körbe gewebt und geflochten werden. Außerdem besuchen wir die Kantine, den Arztraum und werfen einen Blick in unsere Denim-Weberei, in der wir uns jedoch erst am nächsten Tag länger aufhalten.
Über 80% der Mitarbeiter sind Frauen, die durch ihren Job bei CHP oft Hauptverdiener ihrer Familie werden. CHP zahlt ein Gehalt über dem Mindestlohn, Boni an wichtigen Feiertagen und bietet neben einer kontinuierlichen ärztlichen Betreuung auch die Ausgabe von Hygieneartikeln sowie Bezahlung im Krankheitsfall und einen Betriebskindergarten. Wie wichtig Tauhid die Einhaltung von Sozialstandards ist, wird an jeder Ecke deutlich: Alle Fluchtwege sind gut sichtbar gekennzeichnet und es gibt ausreichend Feuerlöscher. Alle Mitarbeiter tragen wenn nötig Nasen-, Mund- und Gehörschutz, denn die Baumwolle, mit der vornehmlich gearbeitet wird, gibt bei der Verarbeitung feine Flusen frei und die Maschinen sind teilweise sehr laut.
Die Indigo-Färberei.
Nach dem ersten Rundgang durchs Hauptgebäude, machen wir uns auf den Weg zur etwa einen knappen Kilometer entfernten Indigo-Färberei, die wir gemeinsam mit Tauhid aufgebaut haben. Das Dorf, neben dem das kleine Gebäude der Färberei steht, besteht aus fünf bis zehn kleinen Lehmhütten. Die Bewohner begrüßen und neugierig und ich bin schon wieder überwältigt von der Wärme und Herzlichkeit der Bengalen.
Nun weihen uns die Färber Shahid, Ershad, Paritosh, Monul und Gobindo in die Kunst des Färbens ein. Ich lerne, dass der blaue Farbstoff zunächst durch Fermentierung der Indigo-Pflanze entsteht. Durch das Einrühren von Luft erhält man ein blaues Gemisch, dessen Bodensatz getrocknet und als Farbstoff in Blöcken oder Pulver verkauft wird. Das Färbebad muss schon eine Woche vor dem eigentlichen Färben angerührt werden.
Shahid und Ershad zeigen uns wie aufwendig das Färben mit natürlichem Indigo ist. Das Garn aus zertifizierter Bio-Baumwolle wird gewogen, vorgekocht, mehrfach mit Indigo und dann noch mit der Farbe einer Nuss gefärbt und gewaschen. Hier könnt ihr mehr über den Prozess erfahren. Am meisten fasziniert uns alle der Farbwandel von grün zu blau, den man durch das langsame Färben von Hand deutlich beobachten kann. Wir sind uns einig: Färben mit Naturindigo ist ein kleines Wunder.
Die Denim-Weberei.
Am nächsten Tag besuchen wir die Denim-Weberei im Hauptgebäude. Auch das Weben an den Handwebstühlen ist sehr aufwendig: Jeder Faden läuft dabei durch die Hände von mindestens drei Mitarbeitern. Hier könnt ihr nachlesen, welche Schritte bis zur beliebten Webkante nötig sind und was dabei wie viel Zeit beansprucht.
Um den Menschen, die später in die Jeans investieren, die Menschen aus Bangladesch noch näher zu bringen, mache ich Polaroids von allen, die direkt oder indirekt an der Produktion unserer Selvedge Jeans beteiligt sind. Anschließend bitte ich sie, ihr Portrait zu unterschreiben und führe noch ein kleines Interview mit jedem. Rajib, unser Hauptansprechpartner bei CHP, schlägt vor, mir für die Interviews ein kleines Büro einzurichten. Obwohl ich dankend ablehne, bringen ein paar Männer wenige Minuten später einen Schreibtisch und ein paar Stühle. Der Hof des Betriebskindergartens wird kurzerhand zum Büro umfunktioniert. Der mit Abstand schönste Arbeitsplatz, den ich je hatte!
Es beginnt zu dämmern und langsam wird es Zeit, Abschied zu nehmen. Die Menschen bei CHP haben Feierabend und verlassen alle gleichzeitig das Gebäude. Viele von ihnen auf dem Fahrrad – auch die Frauen, was für Bangladesch ungewöhnlich ist. Doch auch das wird von Tauhid natürlich unterstützt und er geht sogar noch einen Schritt weiter: „Als Fahrradfahrer ist man auf den unbefestigten Straßen in der Dämmerung der gefährdetste Verkehrsteilnehmer. Ich mache mir Sorgen um meine Mitarbeiterinnen.“ Er erklärt mir, dass er sich um Schutzmaßnahmen bemüht. Helme würde hier niemand tragen, aber er arbeitet an einem Reflektorband. Wichtig sei, dass es leicht zu tragen sei. Und dann fragt er mich nach einem Tipp: „Wie kann ich es so designen, dass sie es auch tragen wollen? Denn dass es gut aussieht, ist den Damen das Wichtigste.“.
mo jour ,
Vielen Dank für die spannenden Berichte von der Produktion in Bangladesh.
Warum wird der Name der Autorin / des Autors nicht genannt?
hessnatur ,
Hallo, unsere Kollegin Lisa war vor Ort und hat den Reisebericht verfasst.
Herzliche Grüße, Dein hessnatur Service Team