Die Limited Edition unseres Wollfleece-Overalls war ein Erfolg: Durch den Verkauf des mit Visions for Children e.V. gestalteten Babyoveralls konnten wir im Februar 2020 12.000€ für den Ausbau einer afghanischen Schule spenden. Warum diese Hilfe den SchülerInnen in Kabul Hoffnung auf ein besseres Morgen schenkt, verrät uns Hila Limar von Visions for Children im Interview.
Danke an die Bloggerinnen wie Sanzibell (li.), Jessica Weiß von Mini Journelles (Mitte) und Sarah von This is Jane Wayne, die unsere Spendenaktion unterstützt haben.
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Hila, warum ist Bildung ein wichtiger Baustein für mehr morgen?
Weltweit können 758 Mio. Erwachsene weder lesen noch schreiben – und zwei Drittel davon sind Frauen. Diese leben v.a. in Krisenländern, wo Faktoren wie Armut, Krieg, Kinderarbeit und frühe Ehen den Schulbesuch verhindern. Das ist ein Teufelskreis, denn je schlechter die Qualität der Schulbildung ist, umso seltener schicken Eltern ihre Kinder in die Schule. Tatsache ist, dass viele Jungen und Mädchen trotz Schulbesuch nicht die wichtigsten Grundfähigkeiten erlernen, weil die Ausstattung der Schulen so mangelhaft und konzentriertes Lernen nicht möglich ist.
Eine angemessene Lernumgebung ist die Voraussetzung, für Lernerfolge. Und wenn es gelingt, den SchülerInnen bessere Grundkenntnisse zu vermitteln verbessert dies auch ihre Chancen auf eine Aus-und Weiterbildung. Weil die Schule den Horizont der Kinder erweitert, wächst auch ihr Selbstbewusstsein: Sie denken und handeln langfristiger, fühlen sich als wichtiger Teil der Gesellschaft und fordern ihre Rechte ein. Es ist unbedingt nötig, dass Bildung mehr Wert beigemessen wird, damit die Folgen der Armut wie Mangelernährung, Kinderarbeit und verfrühte Ehen bekämpft werden können.
Auch die Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen kann sich nur dann entwickeln, wenn diese die gleichen Bildungschancen erhalten. Die Vereinten Nationen haben dies sogar in Zahlen berechnet. Sie gehen davon aus, dass ca. 71 Millionen Menschen der Armut entfliehen könnten, wenn der Zugang zu einer Grundbildung für alle selbstverständlich wird – was die weltweite Armut um 12% reduzieren würde*.
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Was habt ihr für die Kabuler Schule bisher erreicht?
Die Schule Khwaja Boghra ist eine 2009 errichtete stattliche Grund-und Mittelschule in einem der ärmsten Viertel Kabuls, in der über 5.000 Kinder im Alter von 6-16 Jahren lernen. Aufgrund der beschränkten Räumlichkeiten besuchen sie den Unterricht in drei Schichten. Vor Beginn der Baumaßnahmen wiesen die Gebäude deutliche bauliche Mängel auf und der Unterricht musste aus Raummangel auch bei Temperaturen von +40 Grad oder +2 Grad draußen stattfinden. Seit 2017 begleiten wir den Ausbau der Schule in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Dabei hat auch die Spende der hessnatur KundInnen über 6.000€ im Jahr 2017 dazu beigetragen, dass bereits acht neue Klassenzimmer, ein Labor und neue Sanitäranlagen inkl. Zugang zu sauberem Trinkwasser errichtet werden konnten. Ebenso wurden Workshops für LehrerInnen der Naturwissenschaften durchgeführt, so dass naturwissenschaftliche Fächer seit Sommer 2019 auch praktisch unterrichtet werden können. Neu eingerichtet wurde auch ein Computerraum, in dem seit Oktober 2019 erstmals Informatikkurse angeboten werden.
Um den immer noch großen Raummangel zu beheben, haben wir im August 2019 mit dem Bau weiterer 12 Räume begonnen.
„Die Kinder sind durch den Schulbau sehr motiviert. Für viele gehört der Schulbesuch zu den Highlights ihres Alltags.“ Hila Limar, Visions for Children e.V.
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Wie verändert der Schulbau den Alltag der Kinder?
Eine unmittelbare Folge der Baumaßnahmen liegt darin, dass der schlechte Zustand der Gebäude und die zuvor miserablen hygienischen Bedingungen deutlich verbessert wurden und jetzt keine gesundheitliche Gefahr für die Kinder und LehrerInnen mehr darstellen. Der Anteil der Mädchen in der Schule ist sehr hoch (fast die Hälfte) und die neuen Unterrichtsangebote wie z.B. die Computerkurse bedeuten für sie eine sehr starke Förderung. Wir staunen immer wieder über die sehr ambitionierten Zukunftswünsche, von denen die Schülerinnen uns erzählen.
Das Gefühl eine vollwertige Schule zu besuchen erhöht die Motivation der Kinder deutlich und da sich die Chancen auf eine gute Aus- und Weiterbildung durch die neuen Räume und Unterrichtsinhalte verbessern, unterstützen auch die Eltern den Schulbesuch wieder stärker. So erzählen uns die LehrerInnen, dass auch SchülerInnen wiederkommen, die vorher lange Zeit fehlten.
Ein Teil der Kinder gehört dabei zur Gruppe der Binnenflüchtlinge, die in sehr notdürftigen Lehmbauten und Zelten leben – weshalb die Schule für sie gleichzeitig eine Art zu Hause ist. Viele erzählen, dass zur Schule gehen für sie zu den alltäglichen Highlights gehört. Dies gilt auch für viele LehrerIinnen, welche sich sehr freuen, wenn sie Weiterbildungen angeboten bekommen und dafür auch Überstunden in Kauf nehmen.
„Bildung schafft ein besseres Morgen. Denn sie fördert die Gleichberechtigung von Mädchen und schenkt Zukunftschancen.“ Hila Limar, Visions for Children e.V.
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Was verändern neue Räume das Selbstbewusstsein der SchülerInnen?
Durch das neue Computerlabor können erstmalig IT-Kenntnisse vermittelt werden. Dies ist besonders für die Mädchen wichtig, da viele von ihnen keinerlei Computerkenntnisse haben. Und es verbessert stark die Chancen auf eine gute Ausbildung, da IT-Kenntnisse Voraussetzung für die Aufnahme in eine weiterführende Schule sind.
Generell beobachten wir bei Visions for Children auch, dass vom Bildungsministerium mehr qualifizierte LehrerInnen zur Verfügung gestellt werden, wenn sich die Anzahl der Klassenräume erhöht – was sich unmittelbar auf die Unterrichtsqualität auswirkt. Aber auch das Selbstbewusstsein der Kinder wächst dadurch, dass sie eine moderne Schule besuchen und bessere Ergebnisse erzielen. Denn sie merken, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine echte Chance auf eine bessere Zukunft haben.
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Was bewirkt der Schulbau bei den Familien?
Während zuvor oft mehrere Klassen in einem Raum unterrichtet wurden, konnte durch die Baumaßnahmen ein ruhiges Lernumfeld geschaffen werden, in dem die SchülerInnen sich besser konzentrieren können. Das verbessert nicht nu r die Noten, sondern setzt für alle Familien das wichtige Signal, dass sie nicht vergessen werden. Das ist wichtig in einem Umfeld, in dem die ausländische Hilfe zunehmend abgezogen wird. Auch einige der Eltern sind sehr motiviert und jedes Jahr schließen wir eine Vereinbarung: Dafür dass wir bauen, leisten sie im Gegenzug einen kleinen Eigenanteil. Letztes Jahr war dies z.B. die Reparatur von Möbeln. Es fühlt sich für sie gut an einen Beitrag zu leisten und dadurch entsteht ein Ownership-Gefühl, sodass sie sich stärker mit dem Schulprojekt identifizieren.
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Was habt ihr für die Schule in Kabul als nächstes geplant?
Nachdem der Bau der zusätzlichen 12 Räume Im November 2019 begonnen hat, konnte bis zur Winterpause im Dezember noch das Fundament gesetzt werden. Die Fertigstellung des Gebäudes ist für Ende 2020 geplant. Außerdem wollen wir im Frühsommer einen Spielplatz errichten und im Herbst eine professionelle Evaluation durchführen, um die tatsächliche Wirkung der Maßnahmen zu messen.
Ab Ende des Jahres werden wir dann ein Projekt an einer anderen Schule in Kabul starten. Diese hat noch gar kein Gebäude, weshalb wir zunächst 12 Klassenräume bauen und Schulungen durchführen werden. Generell wollen wir in Zukunft mehr Capacity Building schaffen. D.h. wir wollen die Kapazitäten unserer Zielgruppe stärken, indem wir z.B. das Schulmanagement optimieren und Themen wie Klassensprecherwahlen einführen.
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Warum ist Visions for Children auf Direkthilfe wie die hessnatur Spende angewiesen?
Damit Projekte wie der Schulausbau von Khwaja Boghra vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert werden, müssen wir einen verhältnismäßig hohen Eigenanteil von 25% aufbringen. Ähnlich wie bei unseren privaten Fördermitgliedern ist es für uns dabei sehr wichtig, dass wie bei hessnatur eine dauerhafte Partnerschaft entsteht. Diese hilft uns, die mediale Aufmerksamkeit für das Thema Bildung in Krisenregionen zu erhöhen. Es freut uns sehr, wie stark die KundInnen von hessnatur schon seit 2017 unser Projekt in Kabul unterstützen.
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Wie wird die Spende über 12.000€ aus der Limited Edition von hessnatur eingesetzt?
Da die Fertigstellung der neuen Räume noch bis Ende des Jahres dauern wird, ist im Moment noch nicht bekannt, ob das Geld für den Bau oder z.B. die Anschaffung von Möbeln verwendet wird. Da das Projekt zu 75% vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird, fließen die Spendengelder jeweils anteilig zu dessen Finanzierung in die einzelnen Maßnahmen. Rechnerisch können mit dem Betrag von 12.000€ z.B. Sitzbänke und Tische für alle acht Klassenräume sowie Tafeln und Unterrichtsmaterial finanziert werden. Da die Klassenzimmer in drei Schichten genutzt werden, können so über 900 SchülerInnen von der neuen Einrichtung profitieren.
*Quelle: Global Education Monitoring Report –Accountability in Education: Meeting our Commitments, UNESCO, 2017
Mehr über das Projekt erfahrt Ihr hier auf visions4children.org.
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